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Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie

Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind oft unwürdig. Wie lassen sie sich verbessern und was können wir VerbraucherInnen für faire Fashion tun?
Text von Jane Schumann
5/19/2023
Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie - NähfabrikArbeitsbedingungen in der Textilindustrie - Nähfabrik

„Mode ist ein schmutziges Geschäft“, so heißt es. Und tatsächlich, blickt man hinter die glamouröse Fassade von Fashion, wird einem schnell klar, welch düstere Realität hinter den schicken Kleidungsstücken steckt. Denn unsichere und unwürdige Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind weit verbreitet.

 

Die Situation der Arbeitenden in der Textilindustrie

 

1. Hungerlöhne in der Textilindustrie

Ein Großteil der Kleidung, die wir hier in Europa kaufen, wird in Süd- und Ostasiatischen Staaten produziert, die als sogenannte Niedriglohnländer gelten. Die Mindestlöhne, die TextilarbeiterInnen diesen Ländern gezahlt werden, sind extrem niedrig, und weit entfernt von tatsächlich existenzsichernden Löhnen. Obwohl die Arbeitstage in den Textilfabriken oft bis zu 14 Stunden lang sein können, reicht das Einkommen oft gerade mal zum Überleben.

Häufig ist die Textilindustrie in diesen Niedriglohnländern ein wichtiger Industriezweig, in dem große Teile der Bevölkerung beschäftigt sind. 80% der Exporte aus Bangladesch zum Beispiel stammen aus der Textilindustrie.

 

Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie - Frauen

2. Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Niedriglohnländern

Arbeitende in der Textilindustrie sind oft giftigen Chemikalien ausgesetzt, die Arbeitsstätten sind schlecht belüftet, der Geräuschpegel ist hoch. Die Arbeitstage dauern oft über 12 Stunden, es gibt kaum Pausen, Überstunden sind oft verpflichtend.

Sicherheitsstandards in den Fabriken sind oft nicht vorhanden oder mangelhaft, Unfälle und Feuer kommen immer wieder vor. Oft sind sogar die Gebäude selbst unsicher, wie der Fabrikeinsturz 2013 in Sabhar zeigte. Über 1.100 Menschen kamen dabei ums Leben, knapp 2.500 Menschen wurden schwer verletzt.

Danach wurden Sicherheitsstandards deutlich verbessert, etwa durch den Bangladesh Accord, der allerdings Ende Mai 2021 ausläuft. Die Aufrechterhaltung bestehender Standards sowie die Einführung ausstehender Verbesserungen sind somit nicht gesichert.

 

3. Arbeitsrechte in der Textilindustrie

Arbeitende in der Bekleidungsindustrie werden oft nicht für ihre Zeit, sondern für ihr Pensum, also zum Beispiel pro genähtes Kleidungsstück, bezahlt. Der Stückakkordlohn von NäherInnen ist so niedrig, dass ein Auskommen nur unter höchstem Zeitdruck zu erarbeiten ist. Meist gibt es nur sehr kurzfristige Arbeitsverträge, oft gibt es gar keine Verträge.

Gewerkschaften werden nur selten geduldet. Je nach Produktionsland wird gewerkschaftliche Organisation aktiv von Fabrikbesitzern untersagt, ArbeiterInnen, die einer Gewerkschaft angehören, werden gekündigt. Auch von Regierungsseite werden Textilindustrie-Gewerkschaften vielerorts aktiv bekämpft und AktivistInnen verhaftet.

 

4. Frauen in der Textilindustrie

Schätzungsweise 80% der Arbeitenden in der Textilbranche weltweit sind Frauen. Zusätzlich zu den generell schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind die Löhne für Frauen oft wesentlich niedriger als die Löhne männlicher Kollegen, und sie haben geringere Chancen, befördert zu werden. Neben dieser Diskrimierung aufgrund ihres Geschlechts sind Arbeiterinnen häufig zudem sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt ausgesetzt.

 

5. Zwangsarbeit

Auch Zwangsarbeit und Moderne Slaverei sind keine Seltenheit in der fragmentierten Lieferkette der globalen Modeindustrie. Erst Anfang 2021 berichteten Medien, dass Hunderttausende von UigurInnen vom Chinesischen Staat in Zwangsarbeit bei der Baumwollernte eingesetzt werden.

 

Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie - Kinderarbeit

6. Kinderarbeit

Obwohl sie weltweit geächtet ist, findet Kinderarbeit in der Textilindustrie vielerorts noch statt. In der Türkei zum Beispiel arbeiten Schätzungen zufolge bis zu 2 Millionen Kinder, obwohl dort Kinderarbeit verboten ist.

Viele der Kinder arbeiten unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie und für deren ZuliefererInnen, wie das Beispiel des 10-jährigen Mädchens beim Baumwollpflücken in einer Reportage des Weltspiegels zeigt.

 

7. Zuspitzung durch die Covid-Pandemie

Weltweit hat die Covid-Krise Arbeitende in prekären Arbeitsverhältnissen besonders hart getroffen. So auch in der Textilindustrie: Europäische Unternehmen haben bereits bestellte Kollektionen, die in Asien und Osteuropa in Vorleistung gefertigt wurden, nicht bezahlt, und keine weiteren oder weniger Aufträge erteilt. Millionen von TextilarbeiterInnen waren über Nacht ohne Job und ohne jegliches Einkommen. Das Lohnniveau sank vielerorts, wie etwa in Äthiopien, die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie und auch das Risiko für Moderne Sklaverei stieg deutlich.

 

Verantwortung der Unternehmen

 

1. Preisdruck

Für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind vor allem die Westlichen Modeunternehmen gefragt, die ihre Produkte in Niedriglohnländern fertigen lassen. Der einfachste Schritt für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie wäre, den Preisdruck für die Fabriken zu senken.

Die Westlichen Unternehmen drängen darauf, möglichst wenig für die Fertigung der Textilien zu zahlen. Da sie in der Lage sind, ihre Aufträge einfach und schnell in einem anderen Niedriglohnland zu vergeben und langfristige Zusammenarbeit fast nie gegeben ist, üben sie immensen Druck aus, auf die Fabriken ebenso wie auf Regierungen, die Wirtschaftliches Wachstum fördern möchten.

Diesen Preisdruck geben die Textilfabriken vor Ort direkt an ihre ArbeiterInnen weiter. Je weniger pro Produkt gezahlt wird, desto weniger verdienen die Arbeiterinnen. Wären die Auftraggeber dazu bereit, nur 10 Cent weniger pro Kleidungsstück zu verdienen, könnte das existenzsichernde Löhne für alle Arbeitenden, die an der Produktion ihrer Waren beteiligt sind, ermöglichen. Selbst während der Corona-Krise, wie Berechnungen der NGO Clean Clothes Campaign zeigen.

 

2. Kontrollen

Auftraggebende Unternehmen bestehen zwar in ihren Verträgen mit Produzenten in Niedriglohnländern zumindest auf Minimumstandards hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, die zumeist in einem Code of Conduct festgehalten werden. Doch es wird kaum effektiv kontrolliert, ob die vereinbarten Standards auch erfüllt werden. Doch Korruption, Subcontracting innerhalb von sogenannten Social Auditing Companies sowie angekündigte Kontrollen liefern meist nur Snapshots, die die tatsächlichen Arbeitsbedingungen nicht widerspiegeln. Es liegt in der Verantwortung der Auftraggeber, selbst regelmäßig und unangekündigt vor Ort die Arbeitsbedingungen ihrer Produzenten zu überprüfen.

 

3. Rückverfolgung der Lieferkette

Subcontracting kommt in der Textilbranche immer wieder vor. Das heißt, das Unternehmen, mit dem der Auftraggeber Verträge geschlossen hat, gibt die Aufträge an andere, meist kleinere Zuliefererbetriebe weiter, obwohl die meisten westlichen Unternehmen in ihren Verträgen Subcontracting ausschließen. Die Arbeitsbedingungen bei den direkten Vertragspartnern entsprechen vielleicht den Mindeststandards, doch die Bedingungen bei Subcontracting Fabriken in den Produktionsländern hingegen werden nicht reguliert, bzw. überwacht, und sind häufig sehr viel schlechter.

Wenn die Unterverträge der Lieferanten und somit die eigentlichen Produktionsstätten nicht bekannt sind, sind Kontrollen schwer möglich. Deshalb ist es entscheidend, dass westliche Unternehmen ihre Lieferketten von Anfang bis Ende der Produktion mit sämtlichen Zulieferern und Subcontractors vor Ort rückverfolgen können und die Arbeitsbedingungen in jeder Stufe ihrer Produktionskette zu kontrollieren.

 

Steuerung durch die Politik

 

Beim Thema Rückverfolgung von Lieferketten und Transparenz der Produktionsstationen ist die Politik gefragt. Durch entsprechende Gesetzgebung können Auftraggeber zu Rückverfolgung sowie der Einhaltung von humanen Arbeitsbedingungen verpflichtet werden. Sowohl die Vereinten Nationen (UN) als auch die OECD drängen darauf, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer gesamten Lieferkette zu garantieren.

In Deutschland ist dazu ein Lieferkettengesetz geplant, das in Deutschland ansässige Unternehmen dazu verpflichtet, die Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer Lieferkette zu kontrollieren und zu garantieren. Das soll behördlich geprüft werden, und Verstöße mit hohen Strafen geahndet werden.

Arbeitsbedingungen Textilindustrie - EU-Parlament

Der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung begrenzt die Sorgfaltspflicht der deutschen Unternehmen allerdings lediglich auf die direkten Vertragspartner. Die Bedingungen bei Zulieferern und Subunternehmen lägen nicht in ihrer Verantwortung. Entgegen dem vielversprechenden Namen des Gesetzes bliebe so der größte Teil der Lieferkette im Dunkeln, damit auch die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie, und Menschenrechts-Verstöße würden nicht mit Strafen geahndet werden. Zudem sollen auch diese Verpflichtungen nur für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitern gelten.

Auch die EU plant ein Lieferkettengesetz. Ein Entwurf der EU-Parlamentarier sieht deutlich mehr Pflichten für Europäische Unternehmen vor, darunter auch die Verantwortung für die gesamte Lieferkette.

 

Möglichkeiten für VerbraucherInnen

 

Für VerbraucherInnen ist es meist schwierig, herauszufinden, unter welchen Bedingungen Produkte gefertigt wurden. Wer sicher gehen will, dass seine Kleidung unter fairen Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie entstanden ist, setzt am besten auf Fair Fashion und nachhaltige Mode.

Es gibt Fair Fashion Labels, die auf Transparenz in ihren Lieferketten und auf die regelmäßige und unabhängige Überwachung der Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette achten. Fair Fashion Labels sind auch meist kleinere Labels mit weniger fragmentierten Lieferketten, die ihre Supplier oft persönlich kennen und langfristig mit ihnen zusammenarbeiten.

Ein Tipp für VerbraucherInnen: Wenn Marken ihre Produktionsstätten mit Namen und Adressen auf ihrer Webseite veröffentlichen und das nicht nur für eine, sondern für mehrere Stufen in der Produktionskette, dann ist das in der Regel ein gutes Zeichen.

Zudem gibt es unabhängige Organisationen, wie etwa Good on You, die die Nachhaltigkeit, von Fashion Labels überprüfen und ihnen entsprechende Rankings verleiht. Faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie spielen bei ihrer Bewertung der Nachhaltigkeit von Fashion Labels eine zentrale Rolle. Außerdem gibt es Fair Fashion Siegel, wie beispielsweise das Fair Wear Siegel, die die faire Produktion der Kleidung garantiert. Mehr Informationen hierzu findest du hier: Was ist Fair Fashion?

 

Quellen zu diesem Thema:

Arbeitsbedingungen in Niedriglohnländern:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rana-plaza-einsturz-keine-textilfabrik-in-bangladesch-ist-sicher-a-1030311.html

https://cleanclothes.org/news/2021/remaining-safety-hazards-in-bangladeshi-factories-show-that-apparel-brands-must-not-abandon-binding-safety-programme

https://www.telegraph.co.uk/global-health/climate-and-people/eight-years-factory-collapse-garment-workers-risk-unions-warn/

Arbeitsrechte:

https://www.theguardian.com/global-development/2020/aug/07/covid-led-to-brutal-crackdown-on-garment-workers-rights-says-report

Zwangsarbeit:

https://www.sueddeutsche.de/politik/zwangsarbeit-china-uiguren-baumwolle-1.5148052

Kinderarbeit:

https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/sendung/tuerkei-kinderarbeit-landwirtschaft-100.html

Corona-Krise:

https://www.reuters.com/article/us-ethiopia-garment-workers-feature-trfn-idUSKBN28W1B5

https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—asia/—ro-bangkok/—sro-bangkok/documents/publication/wcms_760374.pdf

Verantwortung der Unternehmen:

https://cleanclothes.org/news/2021/workers-suffer-while-fashion-brands-profits-return-

Steuerung durch die Politik:

https://lieferkettengesetz.de/2021/03/01/gesetzentwurf-mit-massiven-schwachstellen/

 

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