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Kaschmir – alles, was du über das feine Material wissen musst

Kaschmir gilt als der Inbegriff von Luxus. Kein Wunder, denn die Naturfaser fühlt sich wunderbar weich an und hält um ein Vielfaches wärmer als herkömmliche Wolle. Seit einigen Jahren taucht das Luxusmaterial allerdings vermehrt in den Negativschlagzeilen auf und sorgt damit für Verunsicherung bei den VerbraucherInnen. Alle wissenswerten Informationen über Kaschmir haben wir deshalb hier für dich zusammengestellt.
Text von Connie Gräf-Adams
9/28/2021
KaschmirKaschmir

Was ist Kaschmir?

 

Seinen Namen verdankt das hochwertige Material der Region Kaschmir, in dessen Höhenlagen die Kaschmirziege ursprünglich beheimatet war. Um in den kargen Landschaften des Himalaya-Gebirges auf 4.000 Metern Höhe zu überleben, verfügen die Tiere über ein spezielles Unterfell: Im frostigen Winter hält es eisige Winde und Temperaturen bis minus 30 Grad ab, im Sommer schützt es vor Sonne und Staub.

 

Für was wird Kaschmir verwendet?

 

Kaschmir wird gerne in der kälteren Jahreszeit getragen, da es Wärme gut speichert und besonders angenehm auf der Haut ist. Zudem werden Kaschmirhaare wegen der überaus feinen und flauschigen Beschaffenheit schon seit Jahrhunderten geschätzt. Indische und iranische HerrscherInnen hüllten sich einst bei religiösen Zeremonien in wertvolle Kaschmirschals, seit dem 18. Jahrhundert wird der luxuriöse Flaum auch nach Europa importiert und dient seither als Material für Pullover, Jacken und Mäntel, Mützen sowie feine Bettwäsche und Decken.

Der im deutschen Sprachgebrauch häufig verwendete Begriff Kaschmirwolle ist übrigens in Hinblick auf den Rohstoff nicht ganz korrekt. In der textilen Fertigung unterscheidet man zwischen Wolle, die dem Schaf zugeordnet wird, und Edelhaaren, z.B. von Kaschmirziege, Alpaka, Yak und Kamel. Letztere haben eine nur halb so hohe Schuppenkantenhöhe und fühlen sich deshalb bei gleichem Durchmesser glatter und weicher als Wolle an.

 

Welche ökologischen, sozialen und ethischen Auswirkungen hat Kaschmir?

 

Einmal im Jahr, beim Fellwechsel im Frühjahr, findet die Gewinnung der Kaschmirhaare statt. Dabei werden die Ziegen nicht geschoren, das Unterfell wird lediglich sorgsam von Hand ausgekämmt, anschließend vom groben Deckhaar getrennt und nach Farben, Länge und Feinheit sortiert. Je länger die Haare, desto feiner kann später das Garn gesponnen werden. Denn nur Rohware mit einem Durchmesser von maximal 19 Mikrometer, also 0,019 mm, darf tatsächlich als Kaschmir bezeichnet werden. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von ca. 100 Mikrometer.

Für einen Kaschmirpullover werden die Haare von drei bis fünf Ziegen benötigt. Nach dem mehrstufigen Selektionsprozess bleiben pro Ziege nämlich nur 150 bis 200 g des hochwertigen Rohmaterials übrig. Ressourcen-intensiv ist auch die Weiterverarbeitung der Edelhaare. Dicke Kleidungsstücke aus mehrfädigem Garn erfordern einen hohen Wareneinsatz, dünne Kaschmirgarne haben eine längere Produktionslaufzeit, da der Faden bei der Herstellung leicht reißen kann. Das erklärt, warum die Bekleidung so kostspielig ist und beispielsweise für einen Pullover aus reinem Kaschmir mitunter mehrere hundert Euro zu zahlen sind.

Wegen der großen Nachfrage nach dem Luxusmaterial werden Kaschmirziegen mittlerweile in verschiedenen Gegenden Asiens, aber auch auf großen Farmen in Schottland, Australien und Neuseeland gezüchtet. Haupterzeuger für den europäischen Markt ist die Innere Mongolei im Norden Chinas, eine Region mit fehlenden Tierschutzrichtlinien.

PETA-Schätzungen zufolge werden dort 140 Millionen Kaschmirziegen gehalten – oft unter grausamen Bedingungen. Enthüllungsvideos der Tierrechtsorganisation zeigen, wie die Ziegen immer wieder grausam misshandelt werden. So ist unter anderem zu sehen, wie ihnen das schützende Unterhaar schon in den Wintermonaten auf brachiale Art mit spitzen Metallkämmen entrissen wird. Erfolgt die Schur zu früh, verlieren die Tiere ihren Schutz vor der Kälte und erfrieren. Viele Kaschmirziegen verenden zudem an den unversorgten Wunden, die das brutale Vorgehen verursacht hat.

Die Tierschutzorganisation appelliert deshalb an VerbraucherInnen, keine Kaschmirbekleidung zu kaufen und hat zahlreiche Textilunternehmen aufgefordert, Herstellung und Vertrieb der Produkte einzustellen.

Die Massentierhaltung und Monokultur in Zentralasien wirft zusätzlich noch gravierende Umweltprobleme auf. Beim Fressen ziehen die Ziegen Gras und Kräuter mitsamt der Wurzel aus dem Boden. Die Folgen sind Kahlfraß und Bodenerosion, 90% der Weideflächen im Norden Chinas und der Inneren Mongolei droht die Versteppung. Aufgrund der sinkenden Rohstoffpreise müssen die HalterInnen der Kaschmirziegen ihre Herdenzahl erhöhen, was zu immer mehr negativen Auswirkungen auf die Böden führt.

 

Worauf solltest du achten?

 

Lange Zeit war Kaschmirkleidung nur in teuren Edelboutiquen zu finden, mittlerweile findet man Pullover und Schals auch für kleines Geld bei großen Modeketten und sogar beim Discounter. Die Einführung von Kaschmir in Fast Fashion hat die Nachfrage nach dem kuschligen Rohstoff rasant ansteigen lassen. Obwohl anders deklariert, handelt es sich bei der günstigen Strickware jedoch größtenteils nicht um reines Kaschmir. Häufig wird den Edelhaaren Schafwolle oder Seide beigemischt, in billigen Fälschungen kommt Viskose zum Einsatz. In einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung erläutert der Kaschmir- und Edelhaar-Analytikers Kim-Hô Phan, dass die Fremdfasern chemisch so geschickt modifiziert werden, dass sie sich nicht nur wie Kaschmir anfühlen, sondern die Unterschiede selbst unter dem Elektronenmikroskop für den Experten kaum noch zu erkennen sind.

Wer einen Pullover aus reinem Kaschmir besitzen möchte, sollte bei Preisen unter 100 Euro also stutzig werden. Und möglichst bei vertrauensvollen Marken kaufen, die sich aktiv für eine nachhaltigere und tierfreundliche Kaschmir-Produktion einsetzen, zum Beispiel durch die direkte Zusammenarbeit mit ProduzentInnen in der Mongolei. Alternativ bieten einige nachhaltige Brands auch Bekleidung aus recyceltem Kaschmir an.

 

The Good Cashmere Standard: Erste Zertifizierung für Kaschmir

 

Mehr Transparenz und Sicherheit für KundInnen soll The Good Cashmere Standard (GCS) bringen. Das erste weltweit gültige Qualitätssiegel wurde von der Hamburger Aid by Trade Foundation (AbTF) entwickelt, die bereits den Standard Cotton made in Africa begründet hat.

Im ersten Schritt konzentriert sich The Good Cashmere Standard auf Ziegenfarmen in der Inneren Mongolei. Neben exakten Vorgaben zur artgerechten Haltung der Tiere und der schonenden Gewinnung des Unterfells müssen die Betriebe faire Bedingungen für alle ArbeiterInnen sicherstellen und gewährleisten, dass die Ziegenhaltung keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Die Einhaltung der Vorschriften wird regelmäßig überprüft.

Angeschlossen haben sich dem Standard bislang unter anderem der Damenmodespezialist Peter Hahn und internationale Modeunternehmen wie Lacoste, Hugo Boss und die Bestseller-Gruppe.

 

Welche Marken nutzen Kaschmir und für was?

 

Einer ethischen und fairen Kaschmir-Produktion hat sich das Label Fair Trade Cashmere, kurz FTC, verschrieben. Von eigenen Kaschmirziegen-Farmen im chinesischen Shaanxi über das Färben und Spinnen bis zur Herstellung der Strickwaren vor Ort befindet sich die gesamte Lieferkette im Besitz des bayerischen Unternehmens. Mit der eigenen Zucht wird die artgerechte Haltung der Tiere sichergestellt. Da sie direkt beim Unternehmen angestellt sind, profitieren Farmer und ArbeiterInnen von einer fairen Entlohnung und sicheren Arbeitsbedingungen.

Gemeinsam mit der Regierung wurde zudem das Farmer Protection Program aufgesetzt. Dabei verpflichten sich lokale Farmer, ihren Ziegenbestand jährlich an FTC zu melden und die Tiere zu registrieren. Die Bauern erhalten von erfahrenen Tierärzten und FTC-Mitarbeitern eine Einweisung in die artgerechte und umweltgerechte Haltung der Kaschmirziegen.

Andere Marken wie beispielsweise Patagonia oder Stella McCartney verarbeiten ausschließlich recyceltes Kaschmir.

 

Kaschmirpflege: So bleibt die edle Qualität lange erhalten

 

Kleidungsstücke und Accessoires aus reinem Kaschmir halten ein ganzes Leben lang. Im Laufe der Jahre wird das feine Material sogar immer weicher und anschmiegsamer. Wichtig ist eine sorgsame Pflege:

  • Dank der selbstreinigenden Eigenschaften muss Kaschmir nicht nach jedem Tragen gewaschen werden. Ist das Kleidungsstück nicht verschmutzt, genügt ausgiebiges Lüften an der frischen Luft.
  • Wie bei Edelwolle üblich, empfiehlt sich Handwäsche mit lauwarmem Wasser. Möglichst mit einem speziellen Kaschmir-Waschmittel, das keine Bleichmittel oder Weichspüler enthält. An verschmutzten Stellen nicht reiben, das empfindliche Material verfilzt sonst.
  • Bei entsprechenden Hinweisen auf dem Pflegeetikett kann Kaschmir eventuell bei 30 Grad im Wollwaschgang gewaschen werden. Um zu verhindern, dass die Trommel Fasern zieht und Löcher entstehen, sollte man das Kleidungsstück in ein Wäschesäckchen legen.
  • Damit Pullover oder Cardigan nicht die Form verlieren, sollte Kaschmir nur liegend getrocknet werden. Den Wäscheständer dabei nicht in die Sonne oder an die Heizung stellen.

Pilling bleibt bei Naturfasern leider nicht aus. Mit einem speziellen Kaschmir-Kamm lassen sich die kleinen Knötchen auf schonende Weise entfernen.

 

Quellen zu diesem Thema:

https://www.peta.de/themen/kaschmir-china-mongolei/

https://sz-magazin.sueddeutsche.de/mode/wir-haben-gestaunt-wie-gut-die-faelscher-sind-81837

https://www.daserste.de/information/ratgeber-service/vorsicht-verbraucherfalle/sendung/kaschmir-schwindel-106.html

https://thegoodcashmerestandard.org/

https://goodonyou.eco/material-guide-how-ethical-is-cashmere/

https://shop.ftc-cashmere.com/

 

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